miércoles, 15 de mayo de 2013




Schwerpunktthema: Arbeit, Arbeitslosigkeit und Gesundheit



Die Margarine haben wir uns schon lange gespart - wenn wir jetzt auch noch das Brot sparen lernen, werden wir die Krise bestimmt bald überwunden haben!"
(Zeichnung von Wilhelm Schulz [1865–1952], in "Simplicissimus"

Wenn von den Belastungen der Menschen durch Arbeit gesprochen wird, wird meist auf jene vor allem psychischen Belastungen vergessen, die durch den (drohenden) Verlust der Arbeit hervorgerufen werden.
Ich möchte daher in meinem Referat hauptsächlich auf die Auswirkungen steigender Arbeitslosigkeit auf den physischen und vor allem psychischen Gesundheitszustand von arbeitenden und arbeitslosen Menschen eingehen.
Forschungen zeigen, dass psychische Schwierigkeiten unter arbeitslosen Menschen stärker verbreitet sind als unter Beschäftigten. Alle Forschungen stimmen überein, dass Arbeitslosigkeit auf negative Weise das Individuum beeinflusst und stigmatisiert. Sie bestätigen auch, dass Arbeitslosigkeit psychisches Wohlbefinden beeinflusst und zu Krankheit führt, gleichermaßen auf körperlicher als auf psychischer Ebene. Die Gefahr von Depression, Angstzuständen und somatischen Krankheiten ist vier bis zehn mal höher als bei beschäftigten Personen.
Mit Dauer der Arbeitslosigkeit nimmt das Selbstbewusstsein ab und die arbeitslosen Menschen denken immer mehr, dass sie mit ihrer Arbeitslosigkeit eine Last für andere Menschen sind.
Die Erfahrung von anderen Menschen beschämt zu werden, weil man arbeitslos ist, ist ein sehr wichtiger Einflussfaktor auf das psychische Wohlbefinden.
So haben 62% einer Gruppe Arbeitsloser bei einer Studie in Schweden festgestellt, dass andere Menschen irritiert waren durch ihre Arbeitslosigkeit. Drei Viertel der anderen Personen hatten diskriminierende Kommentare über die Arbeitslosen von sich gegeben.
Beinahe 60% antworteten, dass andere Menschen sie als ”faul” bezeichneten.
Ein weiterer sehr wichtiger Faktor ist die Angst vor Arbeitslosigkeit als Ursache von psychischen Problemen. Diese Angst hat Auswirkungen auf die Motivation und Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz. Angst vor Arbeitsplatzverlust lässt aber auch Krankheitssymptome übergehen, sinkende Krankenstände in betrieblichen Krisenzeiten zeigen, dass die Menschen aus dieser Angst heraus oft vergessen auf ihren Körper zu hören.
Ein Stressfaktor ist natürlich auch die Unsicherheit über die berufliche Zukunft.
Symptome, die in den verschiedenen Forschungen erwähnt werden sind Rastlosigkeit, Depression, Angstzustände, Schuldgefühle und selbstbeschuldigende Gefühle, Selbstzweifel und das Gefühl überflüssig zu sein. Sucht- und Alkoholprobleme sind dann oft die Folge.
Arbeitslosigkeit beeinflusst aber auch die Partnerschaft und das Familienleben auf negative Weise, weil die Person einen Verlust von Autorität verspürt. Aggressivität und Gewalt in der Familie ist oft die Folge.
Es zeigen einige Forschungen auch auf, dass das Beziehungssystem der Menschen sich nach dem Verlust des Arbeitsplatzes reduziert und Sozialkontakte abnehmen.
All diese Zusammenhänge werden aber auf politischer und gesellschaftlicher Ebene kaum diskutiert.
Physische Auswirkungen
Die in den Untersuchungen am häufigsten anzutreffenden Symptome sind Appetitverlust und Schlafstörungen. In einer norwegischen Studie wurde bei 49% der untersuchten Arbeitslosen eine Krankheit diagnostiziert, bei 15% mehr als eine.
In einer anderen in Norwegen durchgeführten Studie wurde herausgefunden, dass die Krankenstände unter Arbeitslosen (in Norwegen sind Arbeitslose dazu berechtigt) direkt nach einer Fabrikschließung doppelt so hoch sind wie unter Beschäftigten, ebenso gab es in dieser Studie Hinweise auf eine höhere Sterblichkeit unter Arbeitslosen.
In Schweden litten 29% der untersuchten Arbeitslosen unter ernst zu nehmenden Krankheiten wie Magenschmerzen und -beschwerden, Kopfschmerzen und Schlafstörungen. Die Beschwerden traten dabei mehr oder minder fast täglich auf. Die Studie stellt fest, dass 44% der Arbeitslosen berichten, dass sich ihre Gesundheit durch die Arbeitslosigkeit verschlechtert hat, 22% litten unter einem gesundheitlichen Problem, dass direkt durch die Arbeitslosigkeit verursacht wurde.
Eine in Finnland durchgeführte Studie findet einen direkten Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und zwei anderen Faktoren: Alkoholmissbrauch und ein signifikant abweichender Wert im Gesundheitsfragebogen von Goldberg. Dieselbe Studie macht darauf aufmerksam, dass die Tendenz zur Somatisierung bei Arbeitslosen offensichtlich höher ist als bei beschäftigten Personen.
Psychologische und psychopathologische Auswirkungen
Als eine der Hauptauswirkungen berichten Arbeitslose von permanentem Unwohlsein. Dieses verursacht Frustration, den Verlust von Selbstwertgefühl, Apathie, Phasen von erhöhtem Stress sowie den Verlust von persönlicher und sozialer Identität. Dieses Unwohlsein tritt bei den meisten Individuen auf, unabhängig von anderen Faktoren wie Geschlecht, Alter, kulturellem Hintergrund und familiärer Situation.
Ein allgemeines Empfinden von Nutzlosigkeit führt bei manche Personen dazu, sich als handlungsunfähig zu fühlen und an Selbstachtung zu verlieren. Eine Studie in Italien berichtet, dass Arbeiter, die plötzlich arbeitslos wurden, depressiv wurden, in ihrer Lebensplanung keine Orientierung mehr fanden und an Selbstachtung verloren. Je mehr die einzelne Person dabei auf Arbeit und deren Wert ausgerichtet ist (d.h., je mehr die Person sich nach einer Wiederbeschäftigung sehnt und damit verbundene Ängste durchlebt), desto geringer ist ihr Selbstwertgefühl. Arbeitslosigkeit wirkt sich auf das Selbstbewusstsein negativ aus, weil der symbolische und tatsächliche (im Gehalt ausgedrückte) Marktwert der Person schwindet.
Die Dauer der Arbeitslosigkeit hat ebenfalls eine negative Auswirkung auf das Selbstwertgefühl, d.h., je länger die Arbeitslosigkeit andauert, desto weniger wert fühlt sich der Mensch. Das Selbstwertgefühl wird beschnitten und das Wohlbefinden verschlechtert sich um so mehr, wenn der Arbeitslose empfindet, dass seine Arbeitslosigkeit für andere Personen eine Last darstellt.
Einer der wichtigsten Stressfaktoren ist die Unsicherheit über die berufliche Zukunft. Ein weiterer Stressfaktor sind die abnehmenden Sozialkontakte, wenn die nicht arbeitslosen Freunde in einem anderen Zeitrahmen und damit einer anderen Welt leben.
Arbeitslosigkeit kann auch zu existentiellen Krisen führen, Störungen im sozialen Umfeld und kann zu einer traumatischen Neudefinierung der persönlichen Identität führen. Das ist ganz besonders dann der Fall, wenn die Umgebung wenig Möglichkeit zu sozialer Wiedereingliederung bietet. Arbeitslose Personen zeigen auch eine höhere Diskrepanz zwischen dem idealen Selbst und dem wirklichen Selbst. Je länger die Arbeitslosigkeit andauert, desto größer wird der Graben zwischen dem erstrebten Ideal und der erlebten Wirklichkeit.
Es ist auch wichtig zu erwähnen, dass diese Probleme nicht durch das Mehr an zur Verfügung stehender Freizeit kompensiert werden können. Die Zeit der Arbeitslosigkeit wird nicht als Freizeit empfunden, sondern als eine Zeit des Wartens und der Unsicherheit.
Einige der hauptsächlichen Sorgen der Arbeitslosen sind mit den individuellen Lebenseinstellungen verbunden (Werte, Grundsätze...) und der Krise in der Zukunftsplanung, weil sie sich einer Kombination verschiedener Probleme gegenüber sehen: finanzielle, soziale, familiäre, persönliche. Die typischen Problemen, die immer wieder von den Betroffenen erwähnt werden: finanzielle Probleme (79%), Gesundheitsprobleme (60%), schlechte Lebensbedingungen (41%), Alkoholprobleme (35%), Konflikte mit dem Gesetz (25%). 15% der Interviewten gaben an, dass sie bereits über Selbstmord nachgedacht haben.
Selbstmord im Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit ist wohl eine dramatische und damit auch extremste Form von Reaktion, sowohl für den Arbeitslosen selbst als auch für die Gesellschaft. Eine Studie aus dem Vereinten Königreich findet eine starke Korrelation zwischen Selbstmord und Arbeitslosigkeit. Ebenso findet Platt, einer der bedeutendsten Autoren in diesem Bereich, bei einer Patientengruppe im Krankenhaus von Edinburgh einen starken Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Selbstmordversuchen. Er fügt hinzu, dass Hoffnungslosigkeit die entscheidende psychosoziale Variable darstellt, die den Zusammenhang von selbstzerstörerischem Verhalten und Arbeitslosigkeit erklärt. Im Allgemeinen wird angegeben, dass Arbeitslosigkeit ein Schlüsselfaktor in suizidgefährdeten Situationen darstellt, gleichzeitig aber ein Selbstmordversuch immer ein Phänomen mit vielen Einflussfaktoren darstellt, insbesondere das soziale Umfeld spielt eine große Rolle.
Wie können die belastenden Auswirkungen in einer Gesellschaft minimiert werden?
Positive Beispiele setzen daher schon sehr früh an. So können unterstützende Begleitmaßnahmen die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes lindern und belastenden Stress minimieren.
Wichtig ist eine ganzheitliche Herangehensweise aus systemischer Sicht, das soziale Umfeld ist immer miteinzubeziehen.

Gute Beispiele gehen von einem humanistischen Menschenbild aus, sie sehen den/die Arbeitlose/n als vollwertiges Wesen und betonen die Selbstverantwortung. Auf gesellschaftlicher, kommunaler und betrieblicher Ebene ist die Solidarität zu fördern. Alle, die Arbeit haben, haben eine soziale Verantwortung jenen gegenüber, die ihre Arbeit verloren haben oder keine finden, aus welchen Gründen auch immer.
Positive Beispiele setzen Maßnahmen gegen Stigmatisierung, Schuldzuweisung, Individualisierung, Abhängigkeiten und Ausgrenzung
Projekte mit einem positiven Einfluss auf die psychische Gesundheit bei Arbeitslosigkeit betonen die Stärken der einzelnen Personen, fördern das Selbstbewusstsein und die persönliche Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Sie binden in das Gemeinwesen ein, stärken das Verantwortungsgefühl und bieten einen Rahmen größtmöglicher, freier Entscheidungsmöglichkeiten. Sie helfen den Betroffenen Veränderungen und Krisen als Chancen zu sehen.
Einen sehr wichtigen Faktor im Umgang mit Arbeitslosigkeit stellen die Massenmedien dar. Sie haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das gesellschaftliche Gesamtbild und die Beurteilung bzw. Verurteilung von arbeitslosen Menschen in der Öffentlichkeit.
So haben die immer wieder vom Zaun brechenden ”Sozialschmarotzer-Diskussionen” einen großen negativen Einfluss auf die psychische Gesundheit sehr vieler betroffener Menschen.
Ein in den Medien positives und solidarisches Bild von Arbeitslosigkeit und arbeitender Bevölkerung könnte den (psychischen) Gesundheitszustand der Gesamtbevölkerung wesentlich verbessern helfen.
Arbeitslosigkeit und (psychische) Gesundheit – eine Herausforderung für das nächste Jahrtausend?!


Mag. Helga Gumplmaier
Soziologin, konzessionierte Lebens- und Sozialberaterin, langjährige Mitarbeiterin des Arbeitsmarktservice; seit 1996 freiberuflich in Coaching und Beratung, sowie als Trainerin tätig.
MitarbeiterInnen – und Führungskräftecoaching; Laufbahnberatung; Begleitung von gemeinwesenorientierten Prozessen in Unternehmen, Gemeinden und Politik; Training von Schlüsselqualifikationen in Unternehmen, Non-Profit-Organisationen und öffentlichen Einrichtungen; Moderation von Tagungen und Klausuren; Train the trainer – Maßnahmen;
Schwerpunktthema: Arbeit



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